18. März 2019

VGN sieht im Verkehrssektor Nachholbedarf beim Klimaschutz

Die Bedeutung des ÖPNV zur Erreichung der Klimaschutzziele unterstreicht bei der Jahrespressekonferenz des VGN am Mon­tag, 18. März 2019, der für In­fra­struk­turplanung zu­stän­dige Ge­schäfts­füh­rer Andreas Mäder. Während nach Angaben des Umweltbundesamtes der CO2-Ausstoß seit 1990, dem Bezugsjahr des Kyoto-Protokolls, um 35,7 Prozent gesunken ist, hinkt der Verkehrssektor mit einer Reduzierung um 2,2 Prozent deutlich hinterher. Durch den Verkaufsrückgang von Dieselfahr­zeugen steigt der Ausstoß von CO2 mittlerweile sogar wieder an, wie die Studie „Mo­bi­li­tät in Deutschland 2017“ be­stä­tigt. Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass der Anteil des so genannten Umweltverbundes von Fußgänger- und Fahrradverkehr sowie ÖPNV in den letzten 15 Jahren sich bundesweit nicht wesentlich vergrößert hat. Trotz aller Erfolge des ÖPNV, wie zum Beispiel im Pendlerverkehr oder bei der Gewinnung von Stammkunden, ist die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs ungebrochen.

„Im Verkehrssektor muss dringend gehandelt werden. Deshalb diskutieren wir mit dem Freistaat Bayern und unseren Partnern im Ver­kehrs­ver­bund sehr intensiv über Möglichkeiten, wie wir den öf­fent­lichen Per­so­nen­nah­ver­kehr noch mehr voranbringen und auch finanzieren können“, berichtet Mäder. „Wir arbeiten daran, die In­fra­struk­tur weiter auszubauen, die Ver­kehrs­an­ge­bote in Stadt und Land mit neuen Konzepten zu verbessern, die ver­schie­denen Ver­kehrs­trä­ger mehr zu vernetzen und die Zugangshürden zum ÖPNV weiter zu senken. Dabei wollen wir verstärkt die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen“, so Mäder weiter. Diese Ziele werden auch mit den Nah­ver­kehrsplänen der Städte und Land­kreise im VGN konsequent verfolgt.

Die öf­fent­liche Diskussion konzentriert sich dagegen fast aus­schließ­lich auf tarifliche Vergünstigungen, wie das Jahresticket für 365 Euro oder gar einen kos­ten­losen Nah­ver­kehr.  Die Verkehrswissenschaft benennt al­ler­dings Faktoren, die einen wesentlich stärkeren Einfluss auf die Ver­kehrs­mit­telwahl haben als etwa der Fahr­preis. Dazu ge­hö­ren Reisezeit, Umsteigehäufigkeiten, Wartezeiten beim Umstieg, Takt, Ver­bin­dungen für die ge­samte Wegekette, ein­fache und bar­ri­e­re­freie Zugänge. „Wenn wir noch mehr Menschen für den ÖPNV gewinnen wollen, müssen wir an den Punkten ansetzen, die das ge­samte System verbessern. Die Preise haben im Vergleich dazu eine nur geringe Hebelwirkung, da sie die haupt­säch­lichen Widerstände nicht beeinflussen. Der Nah­ver­kehr muss in der Substanz verbessert und ent­spre­chend gefördert werden. Darauf arbeiten wir hin“, bekräftigt Mäder.

In der laufenden Diskussion gilt das Wiener Modell als Musterbeispiel. 2012 hatte man in der österreichischen Bundeshauptstadt ein überarbeitetes Tarifan­ge­bot eingeführt. Vor allem die Preise für das Jahresabo sowie die Mo­nats­kar­te wurden spürbar gesenkt und im Gegenzug die Preise für Gelegenheitskunden erhöht. In der Folge ist die Zahl der Fahr­gäste gestiegen. Insbesondere die der Abokunden hat sich deutlich erhöht, al­ler­dings auch zu Lasten anderer Fahr­kar­ten. Übersehen werden oft die begleitenden Maßnahmen und weiteren Rah­men­be­din­gungen, die wesentlich mehr zur Entwicklung beigetragen haben, wie eine Studie der Uni­ver­si­tät Kassel zeigt. Dazu ge­hö­ren die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung mit einer kräftigen Erhöhung der Park­ge­bühren sowie der systematische Ausbau des U-Bahn-Netzes. Zudem ist die Bevölkerung zwischen 2012 und 2018 um über neun Prozent gestiegen, auch die Zahlen der ÖPNV-affinen Bevölkerungsgruppen wie Stu­die­rende oder Touristen sind angewachsen. „Wir werden unseren Fahr­gästen günstigere Tickets auf keinen Fall vorenthalten, wenn sich die Möglichkeit der Finanzierung ergibt. Aber die Rolle des Fahr­preises als Steuerungsinstrument wird überschätzt. Die Aufgabenstellung lautet: mehr Verlagerung von Verkehr auf den ÖPNV. Dazu muss man den Hebel an der effizientesten Stelle ansetzen“, resümiert Mäder.

Weiterer Ausbau der In­fra­struk­tur

Der in den nächsten Jahren und Jahr­zehnten zunehmende Pendlerverkehr wird den Druck auf die Zentren weiter verstärken. Deshalb ist der Endausbau des S-Bahn-Netzes zwingend erforderlich. An der nachfragestärksten Strecke, der S1 nach Erlangen, Forch­heim und Bam­berg, die vom zunehmenden Fern­ver­kehr überlagert wird, mangelt es nach wie vor am zu­sätz­lichen Gleis für die S-Bahn zwischen Fürth und Eltersdorf. Der Freistaat wird als Interimslösung Weichenver­bin­dungen zum An­schluss des bereits gebauten Fürther Bogens an das Bestandsgleis finanzieren, so dass künftig drei S-Bahnen pro Stunde und Rich­tung fahren können. Die In­be­trieb­nah­me ist für Ende 2021 vorgesehen. Für einen echten 20-Mi­nu­ten-Takt der S-Bahn ist aber langfristig eine zu­sätz­liche Gleisin­fra­struk­tur unabdingbar.

Zur dritten Ausbaustufe der S-Bahn Nürn­berg ge­hö­ren der Korridor im Westen mit den Strecken nach Neustadt an der Aisch sowie Markt Erl­bach und Cadolzburg und der Sektor Nordost mit der rechten Pegnitzstrecke. Im Sektor West steht der Bau eines dritten Gleises zwischen Fürth und Siegelsdorf an, wie es der Bundesverkehrswegeplan 2030 vorsieht. Dadurch wird die Voraussetzung für einen S-Bahnbetrieb im Sektor West geschaffen. Damit die Planungen gestartet werden können, ist eine so genannte Bedarfsplanumsetzungsver­ein­ba­rung zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn not­wen­dig. Sie regelt die Finanzierung und die Umsetzung der Bau­maß­nah­me. Das Gleiche gilt für das im Bundesverkehrswegeplan eben­falls vorgesehene dritte Gleis zwischen Feucht und Neumarkt.

Bei der rechten Pegnitzstrecke von Nürn­berg nach Neuhaus an der Pegnitz sowie nach Simmelsdorf-Hüttenbach befindet man sich bereits in der Phase der Vorplanung. Bis Ende des Jahres will die Deutsche Bahn die Ergebnisse der Voruntersuchung zur Elektrifizierung der Franken-Sachsen-Magistrale vorlegen. Diese wäre Voraussetzung für einen S-Bahn-Verkehr auf der rechten Pegnitzseite.

Von großer Bedeutung für den Verkehr in der Me­tro­pol­re­gi­on ist die Realisierung der Stadt-Umland-Bahn zwischen Nürn­berg, Erlangen und Herzogen­aurach. Sie könnte täglich mehr als 8.600 Pkw-Fahrten ersetzen, was einer Autoschlange von etwa 50 Kilometern Länge entspricht. Auch ein möglicher Ost-Ast von Erlangen in Rich­tung Neunkirchen am Brand und Eschenau wird unter Einbeziehung der aktuellen strukturellen Entwicklung erneut untersucht. Nach wie vor gibt es Kritiker und Gegner des Großprojekts. Dass die Planungen trotzdem so gute Fortschritte machen, ist auch dem intensiven Kon­takt mit der Bevölkerung vor Ort und dem projektbegleitenden Dialogforum zu verdanken. Durch Aufklärung und Dialog sollen die beste realisierbare Lösung gefunden, Widerstände ausgeräumt und letztlich die Planung beschleunigt werden.

Ein Pi­lot­pro­jekt zur Verknüpfung von Pkw und Schie­nen­ver­kehr hatte der VGN zum Thema Park and Ride bereits im Herbst 2017 gestartet. Mit „P+R 4.0 – ein­fach um­stei­gen“ sollen Autofahrer in Echt­zeit über freie Stellplätze und al­ter­na­ti­ve Fahrt­mög­lich­keiten mit öf­fent­lichen Ver­kehrs­mit­teln informiert werden. Aktuell läuft noch die Ausschreibung für die Installation der Detektions- und In­for­ma­ti­onsanlagen. Für April ist die Vergabe der Aufträge vorgesehen. Künftig sollen P+R-Anlagen im ganzen Ver­bund­ge­biet mit Echt­zeit- und statistischen Daten in das Projekt einbezogen werden.

Er­wei­te­rung des VGN-Raums in Oberfranken

An den positiven Entwicklungen im Gebiet des VGN wollen auch die Städte und Land­kreise im nordöstlichen Oberfranken partizipieren. Bereits im Mai 2018 hatten sich die Oberbürgermeister und Landräte aus Hof, Coburg, Kronach, Kulmbach und Wunsiedel mit ihrer Nordostoberfranken-Erklärung für eine Förderung ihrer Region und einen An­schluss an den Ver­kehrs­ver­bund Groß­raum Nürn­berg eingesetzt und sich an Ministerpräsident Dr. Markus Söder gewandt. Voraussetzung für den Beitritt wäre eine finanzielle Unterstützung durch den Freistaat. In der Zwischenzeit gab es intensive Gespräche mit dem Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr über Fördermöglichkeiten und das weitere Vorgehen. Wie am Diens­tag, 12. März bekannt wurde, sagte Verkehrsminister Dr. Hans Reichhart den angereisten Vertretern der Städte und Land­kreise die Unterstützung des Freistaats zu. „In Aussicht wäre nun ein Beitritt der restlichen oberfrän­kischen Städte und Land­kreise bis zum Jahr 2023. Mit der Förderzusage sind wir dem politischen Ziel einer Deckungsgleichheit der Gebiete von Me­tro­pol­re­gi­on und VGN einen großen Schritt nähergekommen“, be­stä­tigt Mäder.

 

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