25. September 2017

30 Jahre fahren mit dem VGN

Etwa 940.000 Fahrten werden die Fahr­gäste des Ver­kehrs­ver­bundes Groß­raum Nürn­berg am Mitt­woch mit den Bussen und Bahnen un­ter­neh­men. Dabei nutzen rund 150.000 mit ihrer Fahr­kar­te die Ver­kehrs­mit­tel gleich mehrerer Un­ter­neh­men. Was heute selbst­ver­ständ­lich ist, kam vor 30 Jahren, am 27. Sep­tem­ber 1987, einer Revolution gleich. Fünf Städte und zehn Land­kreise hatten sich Ende der 1980er Jahre zusammengetan und den ge­mein­samen Ver­kehrs­ver­bund ins Leben gerufen. Auf der unternehmerischen Seite schlossen sich die damalige Deutsche Bundesbahn, die kommunalen Ver­kehrs­un­ter­neh­men der Städte Nürn­berg, Fürth und Erlangen sowie die Schwabacher Firma Wutzer zusammen. Bereits einen Tag vorher, am 26. Sep­tem­ber 1987, startete die S1 von Nürn­berg nach Lauf als erste S-Bahnlinie im Raum Nürn­berg. Seither ist das Gebiet des VGN auf die dreifache Größe angewachsen, mit 15.100 Qua­drat­ki­lo­me­tern ist er der flächenmäßig zweitgrößte Ver­kehrs­ver­bund Deutschlands. 2,75 Mil­li­onen Menschen leben in diesem Raum.

„In den 30 Jahren seines Be­ste­hens hat sich das Konzept eines ge­mein­samen Ver­kehrs­ver­bundes bestens bewährt. Der VGN ist heute die verkehrliche Klammer der Me­tro­pol­re­gi­on Nürn­berg und beispielhaft für eine erfolgreiche Zu­sam­men­arbeit über die Grenzen einzelner Ge­biets­kör­per­schaften hinweg“, be­stä­tigt der Vorsitzende des Grund­ver­trags-Ausschusses des VGN und Regierungspräsident von Mit­tel­fran­ken, Dr. Thomas Bauer. Den Ver­kehrs­ver­bund bilden heute ins­ge­samt acht kreis­freie Städte und 16 Land­kreise, rund 780 Linien, be­trie­ben von mehr als 100 Ver­kehrs­un­ter­neh­men, stehen der Bevölkerung zur Ver­fü­gung. Im vergangenen Jahr verbuchte der VGN mit mehr als 243 Mil­li­onen Fahrten einen neuen Fahr­gastrekord.

Zu­sam­men­arbeit als Erfolgsmodell

Das Ziel eines Tarif- und Ver­kehrs­ver­bundes im Groß­raum Nürn­berg entstand bereits Anfang der 1970er Jahre. Damals nahm der Pendlerverkehr zwischen der Städteachse Nürn­berg-Fürth-Erlangen-Schwabach und dem Umland er­heb­lich zu. Die gleichzeitig ansteigende Motorisierung der Bevölkerung ließ die Ver­kehrs­be­las­tung in den Zentren ent­spre­chend anwachsen. Die Gründerväter des VGN erkannten, dass diese verkehrlichen Probleme nur durch eine Zu­sam­men­arbeit auf regionaler Ebene zu lösen sind und mit einem starken öf­fent­lichen Per­so­nen­nah­ver­kehr. Der Ge­samt­ver­kehrsplan Groß­raum Nürn­berg (GVGN) präzisierte 1978 diese Ziele mit Emp­feh­lungen für den Aufbau eines Schnellbahnsystems aus S- und U-Bahn, ein enges Zusammenwirken zwischen dem Schnell­bahn­netz und den Ver­kehrs­mit­teln in der Fläche sowie für einen Verkehrs- und Tarifverbund als optimale Organisationsform. Anfang der 80er Jahre konkretisierte eine Arbeitsgemeinschaft von DB und VAG den heute noch geltenden Ge­mein­schafts­ta­rif, die Ein­nah­men­auf­tei­lung und die weitere ver­wal­tungsmäßige Abwicklung in­ner­halb des Verbundes. Alle wichtigen Ent­schei­dungen werden seitdem einstimmig von den beiden Verbundgremien getroffen. Die Ver­kehrs­un­ter­neh­men sind in der Ge­sell­schafter­ver­samm­lung der Ver­bund­ge­sell­schaft vertreten. Im Grund­ver­trags-Ausschuss beschließen die Land­kreise und kreis­freien Städte zu Verbundthemen.

Auf Basis der verkehrspolitischen Zielsetzungen und der Zu­sam­men­arbeit der Verbundpartner entwickelte sich Wachstum in vielen Bereichen: Ver­bund­ge­biet, Verkehrsnetz, Ver­kehrs­an­ge­bote, Serviceleistungen und nicht zuletzt bei den Fahr­gast­zahlen.

 Ver­kehrs­ver­bund in der Me­tro­pol­re­gi­on

Während zu Gründerzeiten die starken Pendlerverflechtungen zwischen der Städteachse und den angrenzenden Land­kreisen im Vordergrund standen, umfasst das Verkehrsgebiet heute den Kernbereich der Europäischen Me­tro­pol­re­gi­on Nürn­berg und reicht teilweise darüber hinaus. Voll­stän­dig im VGN vertreten ist der Re­gie­rungs­be­zirk Mit­tel­fran­ken, in Teilen die Bezirke Ober- und Unterfranken sowie die Ober­pfalz. Mitglied ist auch der schwäbische Land­kreis Donau-Ries. Einzelne Linien berühren Ober- und Niederbayern. Das Gebiet des VGN deckt damit mehr als 20 Prozent der Fläche des Freistaats Bayern ab.

Im Lauf der Zeit gewannen die Pendlerverkehre am Rand des früheren Ver­bund­ge­biets sowie der Frei­zeitverkehr an Bedeutung. So erfolgte in den Jahren 2005 bis 2007 die Integration des südlichen Land­kreises Bayreuth sowie der Bahn­hö­fe Iphofen und Kitzingen. Die Region Bayreuth trat im Jahr 2010 komplett bei, ebenso Stadt und Land­kreis Bam­berg und zum Teil der Land­kreis Haßberge. Die jüngsten Er­wei­te­rungen fanden 2015 mit dem Land­kreis Lichten­fels sowie zu Jahresbeginn mit der Integration des Restland­kreises Kitzingen statt. Ab dem 1. Ja­nu­ar 2018 ist dann auch der Land­kreis Haßberge komplett im VGN.

Den mit Abstand größten Pendlereinzugsbereich hat nach wie vor die Städteachse mit knapp 260.000 Einpendlern. Vor allem durch die Gebietser­wei­te­rungen in Oberfranken ist der Ver­bund­raum heute polyzentrisch, mit verkehrlichen Verflechtungen im Umfeld der Oberzentren. Neben Nürn­berg, Fürth, Erlangen und Schwabach sind dies Amberg, Ans­bach, Bam­berg und Bayreuth. Be­son­ders ge­prägt ist der VGN zudem durch die strukturellen Unterschiede zwischen dem Verdichtungsraum und dem hohen Anteil des ländlichen Raumes mit geringer Bevölkerungsdichte und dünner Siedlungsstruktur.

 

Weit verzweigtes Strecken- und Li­ni­en­netz

Mit der Größe des Gebietes wuchs auch das Li­ni­en­netz des VGN, von ursprünglich 3.000 Kilometer auf heute 13.000 Kilometer Länge. Die Zahl der Linien stieg von 127 bei der Gründung auf aktuell 780. Den in Bezug auf die Fahr­gast­zahlen größten Effekt hatte der Ausbau der Verkehrsin­frastruktur. Wie bereits bei der Gründung des VGN angestrebt, ist in den Jahren ein leis­tungs­fä­higes Schnell­bahn­netz mit S- und U-Bahnen entstanden. Das Netz der U-Bahnen in Nürn­berg und Fürth wurde sukzessive auf eine Li­ni­en­län­ge von 40 Kilometern ausgebaut. Einen weiteren großen Qualitätssprung brachte die Verdreifachung des S-Bahnnetzes auf eine Länge von 224 Kilometern im De­zem­ber 2010. Jeden Werk­tag nutzen rund 100.000 Fahr­gäste die S-Bahn Nürn­berg, mit den U-Bahnen sind täglich mehr als 400.000 Fahr­gäste un­ter­wegs. An 130 P+R-Anlagen steigen Pendler auf die Busse und Bahnen des VGN um.

Ausbau der Fahr­ten­an­gebote

Der Ausbau des Streckennetzes ging mit gleichzeitigen Verbesserungen im Ver­kehrs­an­ge­bot einher. So wurde bei der Er­wei­te­rung der S-Bahn Nürn­berg die Verkehrsleistung um 1,4 Mil­li­onen Zugkilometer aufgestockt, das sind 25 Prozent mehr an Zugleistungen gegenüber dem vorherigen Re­gi­o­nal­bahnverkehr. Schon vorher, nämlich mit Einführung des Bayern-Takts im Juni 1996, hatte die Bay­e­rische Ei­sen­bahn­ge­sell­schaft das SPNV-An­ge­bot im Ver­bund­ge­biet um rund 15 Prozent erweitert.

Auch in den U-Bahnen, Stra­ßen­bahnen und Bussen des allgemeinen ÖPNV profitieren die Fahr­gäste von um­fang­reichen Verbesserungen. Seit den 1990er Jahren sind in vielen Städten und Ge­mein­den Stadt- und Ortsbus­ver­kehre entstanden. In Zeiten mit geringer Auslastung ergänzt das An­ruf­sam­mel­taxi vielerorts das Ver­kehrs­an­ge­bot. An Wo­chen­en­den und Fei­er­tagen sind NightLiner und weitere Nacht­busse im Einsatz. In Zu­sam­men­arbeit mit der Ver­bund­ge­sell­schaft aktualisieren Land­kreise ihre Nah­ver­kehrspläne. Abgestufte Verkehrskonzepte mit Taktverkehr auf den Verkehrsachsen und in Stadt­ver­kehren bis hin zu be­darfs­ori­en­tierten Bedienungsformen sorgen heute für ein attraktives Nah­ver­kehrs­an­ge­bot auch in der Region.

 

Gestiegene Fahr­gast­zahlen

Das Gebietswachstum sowie der Ausbau von In­fra­struk­tur und Ver­kehrs­an­ge­boten führten zu deutlichen Steigerungen bei den Fahr­gast­zahlen. Im ersten voll­stän­digen Geschäftsjahr 1988 nutzen 109 Mil­li­onen Fahr­gäste die Linien des VGN. Bis heute hat sich die Zahl auf 243 Mil­li­onen Fahrten mehr als verdoppelt. Obwohl der Motorisierungsgrad der Bevölkerung im selben Zeitraum um 42 Prozent gestiegen ist, ist der ÖPNV für die Mo­bi­li­tät in allen Le­bens­be­reichen unverzichtbar. Das frühere Bild eines Nah­ver­kehrs­an­ge­bots fast aus­schließ­lich für Schüler und Pendler ist heute überholt. Nur 28 Prozent der Fahrten entfallen auf den Be­rufs­ver­kehr und 20 Prozent auf den Weg zur Aus­bil­dung. In 32 Prozent der Fälle nutzen die Fahr­gäste den ÖPNV für den Einkauf oder sonstige private Er­le­di­gungen. Der Anteil des Frei­zeitverkehrs liegt bei rund 20 Prozent, am Sonn­tag dienen sogar zwei Drittel der Fahrten dem Frei­zeitvergnügen.

Digitale Ser­vice­an­ge­bote kommen an

„Zu einem leis­tungs­fä­higen ÖPNV ge­hö­ren neben einem gut ausgebauten Netz und einem um­fang­reichen Ver­kehrs­an­ge­bot auch Serviceleistungen, die den Fahr­gästen den Zugang zum öf­fent­lichen Nah­ver­kehr erleichtern“, unterstreicht der Vorsitzende der Ge­sell­schafter­ver­samm­lung des VGN, Tim Dahlmann-Resing. „In unserer mobilen Gesellschaft sind vor allem schnelle In­for­ma­ti­onen zu Ver­bin­dungen, Tickets und Fahr­preisen gefragt. Auch der Kauf von Tickets muss komfortabel und ein­fach sein“, so Dahlmann-Resing, der bei der VAG Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürn­berg die Ressorts Technik und Marketing verantwortet. Gerade bei kurz­fris­tigen Fahr­plan­ände­rungen, Bau­stel­len oder betrieblichen Störungen sind die Echt­zeitdaten der Ver­kehrs­un­ter­neh­men unverzichtbar. Neben den Anzeigen an vielen Hal­te­stel­len sowie in Fahr­zeugen sind sie nun auch über die Fahr­plan­aus­kunft auf der Homepage des VGN sowie mit der App „VGN Fahrplan & Tickets“ abrufbar. Wer sich im Internet zu den An­ge­boten des VGN informiert, macht das in 70 Prozent der Fälle mit einem mobilen Gerät und häufig von un­ter­wegs. Bereits seit 2007 bietet der VGN den Ti­cket­kauf per Handy an. In seinem On­line­shop er­wer­ben heute mehr als 200.000 Kunden ihre Tickets für das Smart­phone oder zum Aus­dru­cken. Möglich ist auch der Versand per Post. Noch ein­facher soll das Fahren künftig mit dem eTicket werden. In einem ersten Schritt erfolgt im nächsten Jahr die Einführung eines elek­tro­nischen Tickets für Abo-Kunden. „Gerade die technisch aufwändigen In­for­ma­ti­ons- und Vertriebslösungen für die Fahr­gäste könnten ohne die enge Zu­sam­men­arbeit der Ver­kehrs­un­ter­neh­men im VGN nicht realisiert werden“, resümiert Dahlmann-Resing.

 

Blick in die Zukunft

„Auch die Bewältigung der Zukunftsaufgaben wird nur durch die Ko­ope­ra­ti­on von Ver­kehrs­un­ter­neh­men und Auf­ga­ben­trägern, den kreis­freien Städte und Ge­mein­den sowie dem Freistaat Bayern, zu leisten sein“, ergänzt der für Planung und In­fra­struk­turausbau zu­stän­dige VGN-Ge­schäfts­füh­rer Andreas Mäder. „Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden wir neben Fahr­gast­in­for­ma­ti­on und Vertrieb auch bei der Ver­kehrs­lei­tung und -steuerung nutzen. Die steigenden Erwartungen der Kunden an die digitalen Dienste für die ge­samte Reisekette von Tür zu Tür, wie In­for­ma­ti­on, Buchung und Bezahlung, sind eine der großen He­raus­for­de­rungen in den nächsten Jahren.“

Der de­mo­gra­fische Wandel sowie der Struk­tur­wan­del in den Städten und im ländlichen Raum erfordern Verkehrskonzepte, die den sich ver­än­dernden Mo­bi­li­täts­be­dürf­nissen der Bevölkerung gerecht werden. Nach Prognosen wird das Verkehrsaufkommen im Umweltverbund (ÖPNV, Fahrrad, zu Fuß) ohne ge­eig­nete Gegenmaßnahmen in den nächsten 20 Jahren zurückgehen und die mit dem Auto zurückgelegten Wege dagegen um rund 5 Prozent ansteigen. Diese Entwicklung ist bedenklich, denn mit rund 18 Prozent des Treibhausgasausstoßes trägt der Verkehrssektor in Deutschland er­heb­lich zum Klimawandel und den damit einhergehenden Problemen bei. Die Emissionsentwicklung wird dabei fast aus­schließ­lich durch die Emissionen des Straßenverkehrs dominiert, die rund 95 Prozent der Verkehrsemissionen ausmachen. Dabei wiederum ist der Pkw-Verkehr für ca. 79 % dieser Emissionen ver­ant­wort­lich.

Bislang wird die politische und öf­fent­liche Diskussion zur Reduzierung dieser Belastung meist nur auf der Basis technischer Maßnahmen wie Elektromo­bi­li­tät, Biokraftstoff oder Wasserstoffantrieb geführt. Rebound­effekte schmälern die positiven technischen Wirkungen jedoch er­heb­lich: Wer Benzin einsparen kann, fährt mehr. Allein mit der milliardenschweren Förderung der Elektromo­bi­li­tät wird es also nicht gelingen, die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Für einen möglichst geringen Rohstoff- und Energieverbrauch muss auch der Verkehr selbst reduziert werden. Bei­spiels­wei­se wird die geplante Stadt-Umland-Bahn zwischen Nürn­berg und Erlangen täglich rund 1.400 Pkw-Fahrten ersetzen. Dies entspricht einer „Autoschlange“ von mehr als acht Kilometer Länge. Auch das Netz der S-Bahn Nürn­berg muss durch einen Ausbau der restlichen Hauptkorridore noch leis­tungs­fä­higer werden. Dabei handelt es sich um den so genannten Sektor Nordost mit den Strecken Nürn­berg – Neuhaus sowie Nürn­berg – Simmelsdorf-Hüttenbach. Im Sektor West sind die Hauptstrecke nach Neustadt a. d. Aisch sowie die beiden Nebenbahnen nach Cadolzburg und Markt Erlbach nach S-Bahn-Stan­dard auszubauen.

„Der Ausbau und mit zunehmender Dringlichkeit auch der Erhalt der vorhandenen In­fra­struk­tur sind not­wen­dig, damit der ÖPNV auch künftig seinen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Gerade für Sanierung und Unterhalt fehlt jedoch noch immer eine ge­setz­liche Finanzierungsre­ge­lung“, erinnert Mäder. „Langfristiges Ziel ist es, dem Kunden über eine Verknüpfung des öf­fent­lichen Verkehrs mit anderen Mo­bi­li­täts­dienst­leis­tern (Carsharing, Radleihsysteme usw.) und dem privaten Pkw integrierte Mo­bi­li­tät aus einer Hand anbieten zu können, um eine möglichst um­welt­freund­liche Symbiose von öf­fent­lichem bzw. kollektivem Verkehr und in­di­vi­du­eller Fortbewegung zu erreichen.“

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