VGN vergibt Gutachten zu einem 365-Euro-Ticket
Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) hat den Auftrag für ein Gutachten zur Einführung eines verbundweit gültigen Jahresabos auf der Basis eines 365-Euro-Tickets vergeben. Die Studie soll aufzeigen, ob und wie ein solches Angebot im gesamten Gebiet des VGN realisiert werden könnte. Zu den zentralen Fragestellungen gehören die Entwicklung geeigneter Tarifmodelle, das Nachfragepotenzial und die Kosten für ein derart vergünstigtes Ticket. Auch die verkehrliche Wirkung und der eventuelle Bedarf an einer Ausweitung der Kapazitäten sowie der Infrastruktur werden untersucht. Die Ergebnisse sollen den Vertretern der kommunalen und regionalen Politik eine umfassende und transparente Grundlage für weitere Entscheidungen an die Hand geben. Eine große Bedeutung haben die Finanzierung sowie die Förderfähigkeit des preislich reduzierten Abos. Den Zuschlag für das Gutachten hat nach erfolgter Ausschreibung das Büro civity Management Consultants in Hamburg erhalten. Die Ergebnisse sollen bis Oktober dieses Jahres vorliegen.
Politische und fachliche Diskussion
Seit der Einführung eines 365-Euro-Tickets als Teil eines Maßnahmenpakets 2012 in Wien, ist ein entsprechendes Jahresabo auch hierzulande in der verkehrspolitischen Diskussion. Der Nürnberger Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 17. Juni 2020 die Einführung eines 365-Euro-Tickets im Gebiet der Stadt spätestens zum 1. Januar 2023 beschlossen. Eine wirksame Verkehrsentlastung des städtischen Straßennetzes setzt allerdings einen weiträumigeren Geltungsbereich voraus. Denn der Großteil des Verkehrsaufkommens in der Stadt ist Folge der Pendlerbeziehungen mit dem Umland. Deshalb verständigte man sich zunächst mit den Nachbarstädten Fürth, Erlangen und Schwabach sowie den angrenzenden Landkreisen Fürth, Erlangen-Höchstadt, Nürnberger Land und Roth auf eine räumliche Erweiterung des Angebots. Ein Aspekt war die finanzielle Unterstützung als Pilotprojekt durch den Freistaat Bayern. Dem Wunsch nach Förderung einer räumlich begrenzten Lösung erteilte das Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr jedoch eine Absage. Denn Ziel der Staatregierung sei es, sich für flächendeckende Verkehrsverbünde und Tarifangebote einzusetzen. Nach einer Startphase von drei Jahren möchte man zunächst den Erfolg des 2020 eingeführten 365-Euro-Tickets für Schülerinnen, Schüler und Auszubildende beurteilen. Erst dann könne abgeschätzt werden, ob die Kosten für ein entsprechendes Ticket für alle Fahrgäste in einem angemessenen Verhältnis zum erzielbaren verkehrlichen Nutzen stünden.
Neue Abo-Modelle im Blick
Mit ihrer aktuellen Studie wollen die Städte und Landkreise im VGN bereits vorher ein verbundweit geltendes Tarifsystem für Abokunden entwerfen, das den Zielen aller Beteiligten möglichst nahekommt und auch auf andere Verkehrsverbünde in Bayern übertragbar wäre. Damit bestünde möglicherweise schon mittelfristig Aussicht auf eine Förderung durch den Freistaat. Denn nach dem Koalitionsvertrag steht bei der Bayerischen Staatsregierung ein 365-Euro-Ticket für alle erst 2030 auf der Agenda. „Ich freue mich, dass wir gemeinsam diese wichtige Studie auf den Weg gebracht haben. Ein 365-Euro-Ticket in der Stadt Nürnberg kann nur ein erster Schritt sein. Jetzt prüfen wir, wie sich dieses Ticketmodell auf das gesamte VGN-Gebiet übertragen lässt. Unser Ziel ist ein Angebot, das in allen Städten und Landkreisen im VGN gilt“, erklärt Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König. Der Fürther Landrat Matthias Dießl ergänzt: „Wir haben das Gutachten beauftragt, um gemeinsam definieren zu können, wie so ein 365-Euro-Ticket aussehen kann und wie es finanzierbar wird. Es soll als Entscheidungsgrundlage dienen und auch im Einklang zu anderen Entwicklungen, wie beispielsweise dem E-Tarif stehen.“ Die beiden Politiker von Stadt beziehungsweise Landkreis sind Vorsitzende im Zweckverband des VGN.
Komplexe Fragestellungen
Die Ausgestaltung und Realisierung eines 365-Euro-Tickets setzt eine sehr gründliche Betrachtung und Klärung vielfältiger Fragen voraus. Von entscheidender Bedeutung ist die Frage der Finanzierbarkeit. Denn ein preislich stark reduziertes Angebot hat erhebliche Einbußen bei den Fahrgeldeinnahmen zu Folge – und zwar dauerhaft. Diese müssten den Verkehrsunternehmen von den Städten und Landkreisen jährlich ausgeglichen werden. Um die finanziellen Belastungen für die Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger möglichst gering zu halten, sollen die Gutachter verschiedene Preismodelle entwickeln. Dabei wird auch untersucht, welche Auswirkungen das neue Ticket auf die Nachfrage im gesamten Sortiment des VGN haben würde. Darüber hinaus soll die Untersuchung Aufschluss darüber geben, wie viele neue Kunden mit einem 365-Euro-Ticket gewonnen werden können. Entsprechend müssten eventuell die Verkehrsleistungen und die Infrastruktur angepasst werden. Im Anschluss stellt sich die Frage, ob der verkehrliche Nutzen des neuen Tarifangebots in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten steht. Die Erstellung der Studie begleitet eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Verkehrsunternehmen sowie der kreisfreien Städte und der Landkreise. Letzten Endes entscheidet die Politik, ob die Aufgabenträger bereit und in der Lage sind, gemeinsam mit dem Freistaat ein Tarifangebot nach dem Vorbild eines 365-Euro-Tickets dauerhaft zu finanzieren.