E-Scooter bleiben vorerst aus Sicherheitsgründen von der Beförderung ausgeschlossen
Seit Anfang des Jahres sind so genannte E-Scooter, die als Hilfsmittel von Senioren und Behinderten genutzt werden, aus Sicherheitsgründen von der Beförderung in den Bussen und Straßenbahnen des Verkehrsverbundes Großraum Nürnberg (VGN) ausgeschlossen. E-Rollstühle, Rollstühle und Rollatoren können wie bisher in den öffentlichen Verkehrsmitteln mitgenommen werden. Damit folgt der VGN, wie auch viele weitere Verkehrsunternehmen und Verbünde, einer Empfehlung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Mit den Ergebnissen eines aktuell vom Land Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenen juristischen sowie technischen Gutachtens wird der VGN klären, inwieweit eine Mitnahme künftig zugelassen werden kann. Das Gutachten soll nach der Sommerpause vorliegen.
Mögliche Gefahren durch E-Scooter
Hintergrund des Ausschlusses ist das Gefährdungspotenzial, das von E-Scootern ausgeht. Das bestätigt ein Gutachten, das der VDV 2014 bei der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e.V. (STUVA) in Auftrag gegeben hat. Demnach ist eine Gefährdung der Nutzer sowie weiterer Fahrgäste durch ein Verrutschen oder Umkippen der Elektromobile nicht auszuschließen. Wie mittlerweile auch die Erfahrung zeigt, ist das bei Betriebs- und Gefahrenbremsungen, Ausweichmanövern, abrupter Beschleunigung und sogar bei Kurvenfahrten auch der Fall. Im Dezember 2015 ist im Stadtverkehr Schwabach ein E-Scooter bei der Einfahrt in den Bus mitsamt der Klapprampe abgestürzt. Der VDV hat noch vier weitere Unfälle aus dem vergangenen Jahr dokumentiert. Zu zwei Unfällen (Umkippen des Scooters bei der Durchfahrt eines Kreisverkehrs mit angemessener Geschwindigkeit) wird derzeit recherchiert. Zu bedenken ist insbesondere das hohe Gewicht der auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge, je nach Ausführung und Ausstattung zwischen knapp 50 und 200 Kilogramm. Die für das Gutachten der STUVA verwendeten Modelle wogen zwischen 56 und 97 Kilogramm. Aus guten Gründen weisen mittlerweile auch Hersteller in ihren Bedienungsanleitungen auf die Gefährdungslage hin.
Erhebliche rechtliche Risiken
Aufgrund der Gesetze und Verordnungen des Personenbeförderungsrechts sind die Verkehrsunternehmen verpflichtet, für die Sicherheit der Fahrgäste und anderer Verkehrsteilnehmer zu sorgen und Gefahren abzuwenden. Das schließt übrigens auch die Sicherheit der Nutzer der Elektromobile ein. Angesichts der vorliegenden Erkenntnisse über die möglichen Gefährdungen ist eine Mitnahme von E-Scootern in Bussen und Straßenbahnen keinesfalls zu verantworten. Gerade bei diesen Verkehrsmitteln kommen wegen des Straßenverkehrs starke Bremsvorgänge und Vollbremsungen häufig vor. Für VGN und Verkehrsunternehmen hat Sicherheit oberste Priorität.
Darüber hinaus drohen bei Unfällen mit Personen- oder Sachschäden sowohl zivil- wie strafrechtliche Folgen. Im Falle von Personenschäden bewegt man sich schnell im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung, allein die ungesicherte Mitnahme eines E-Scooters wäre möglicherweise schon eine Ordnungswidrigkeit, nach § 22 StVO. In beiden Fällen träfen die rechtlichen Konsequenzen zunächst den Fahrer, bis hin zum Verlust der beruflichen Existenz. Das Verkehrsunternehmen müsste mit Konsequenzen durch die Aufsichtsbehörde rechnen.
Eine Absicherung der zivilrechtlichen Haftung, wie in der öffentlichen Diskussion vorgeschlagen, dürfte kaum möglich sein. Denn angesichts der bekannten Gefahren wird sich kein Versicherer finden, der das Risiko zu akzeptablen Konditionen abdeckt. Diese hypothetischen Überlegungen sind jedoch hinfällig, wenn Sicherheit das oberste Gebot ist.
Mögliche Lösungen werden geprüft
Die Empfehlungen des ersten STUVA-Gutachtens hatten die nordrhein-westfälische Landesregierung veranlasst, eine zweite Studie in Auftrag zu geben, die klären sollte, unter welchen Voraussetzungen E-Scooter standsicher in Linienbussen befördert werden können. Bei einem Runden Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern von Sozial- und Selbsthilfeverbänden, der gesetzlichen Krankenkassen, des VDV sowie mit der nordrhein-westfälischen Landesbehindertenbeauftragten im Oktober 2015 wurde beschlossen, diese zweite Studie durch ein drittes Gutachten zu vertiefen, das auch eine juristische Bewertung einschließt.
Anhand der Ergebnisse werden VGN und Verkehrsunternehmen klären, unter welchen Rahmenbedingungen künftig E-Scooter in Bussen und Straßenbahnen mitgenommen werden können. Eine sofortige pauschale Zulassung der Elektromobile, wie von Kritikern gefordert, scheidet jedoch aus. Denn wegen fehlender Normen unterscheiden sich die rund 400 in Deutschland auf dem Markt befindlichen Modelle stark in den technischen Eigenschaften wie Abmessungen, Anzahl der Räder, Wendekreis, Gewicht, Schwerpunkt und damit ihrer Neigung zum Kippen. Auch die Fähigkeiten der Nutzer, für die Sicherung des Gerätes, die eigene Sicherheit und die der anderen Fahrgäste zu sorgen, sind unterschiedlich. Nicht zuletzt unterscheiden sich die Busse und Bahnen hinsichtlich der Anzahl der Türen, der Einstiegsbreite, des Platzes zum Rangieren, der Zahl der Stellplätze für Rollstühle, der verfügbaren Rampen und der Barrierefreiheit ihrer Haltestellen. Noch nicht absehbar ist der Aufwand für erforderliche Umrüstungen.
Ziel des VGN und seiner Verkehrsunternehmen ist, hier gute Lösungen für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste zu schaffen. Es muss aber damit gerechnet werden, dass aus Sicherheitsgründen nicht alle E-Scooter geeignet sind und auch nicht alle Mobilitätswünsche erfüllt werden können. Insofern geht der Appell an Hersteller und Krankenkassen den Kunden und Versicherten Elektromobile zur Verfügung zu stellen, die sich für eine Mitnahme in Bussen und Bahnen eignen.