14. März 2016

E-Scooter bleiben vorerst aus Si­cher­heits­grün­den von der Be­för­de­rung aus­ge­schlos­sen

Seit Anfang des Jahres sind so genannte E-Scooter, die als Hilfsmittel von Senioren und Behinderten genutzt werden, aus Si­cher­heits­grün­den von der Be­för­de­rung in den Bussen und Stra­ßen­bahnen des Ver­kehrs­ver­bundes Groß­raum Nürn­berg (VGN) aus­ge­schlos­sen. E-Rollstühle, Rollstühle und Rol­la­toren können wie bisher in den öf­fent­lichen Ver­kehrs­mit­teln mit­ge­nom­men werden. Damit folgt der VGN, wie auch viele weitere Ver­kehrs­un­ter­neh­men und Verbünde, einer Emp­feh­lung des Verbandes Deutscher Ver­kehrs­un­ter­neh­men (VDV). Mit den Ergebnissen eines aktuell vom Land Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegebenen juristischen sowie technischen Gutachtens wird der VGN klären, inwieweit eine Mitnahme künftig zugelassen werden kann. Das Gutachten soll nach der Sommerpause vorliegen.

Mögliche Gefahren durch E-Scooter

Hintergrund des Ausschlusses ist das Gefährdungspotenzial, das von E-Scootern ausgeht. Das be­stä­tigt ein Gutachten, das der VDV 2014 bei der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen e.V. (STUVA) in Auftrag gegeben hat. Demnach ist eine Gefährdung der Nutzer sowie weiterer Fahr­gäste durch ein Verrutschen oder Umkippen der Elektromobile nicht auszuschließen. Wie mittlerweile auch die Erfahrung zeigt, ist das bei Betriebs- und Gefahrenbremsungen, Ausweichmanövern, abrupter Beschleunigung und sogar bei Kurvenfahrten auch der Fall. Im De­zem­ber 2015 ist im Stadt­ver­kehr Schwabach ein E-Scooter bei der Einfahrt in den Bus mitsamt der Klapprampe abgestürzt. Der VDV hat noch vier weitere Unfälle aus dem vergangenen Jahr dokumentiert. Zu zwei Unfällen (Umkippen des Scooters bei der Durchfahrt eines Kreisverkehrs mit angemessener Geschwindigkeit) wird derzeit recherchiert. Zu bedenken ist insbesondere das hohe Gewicht der auf dem Markt befindlichen Fahr­zeuge, je nach Ausführung und Ausstattung zwischen knapp 50 und 200 Kilogramm. Die für das Gutachten der STUVA verwendeten Modelle wogen zwischen 56 und 97 Kilogramm. Aus guten Gründen weisen mittlerweile auch Hersteller in ihren Bedienungsanleitungen auf die Gefährdungslage hin.

Er­heb­liche rechtliche Risiken

Aufgrund der Gesetze und Verordnungen des Per­so­nenbe­för­de­rungsrechts sind die Ver­kehrs­un­ter­neh­men verpflichtet, für die Sicherheit der Fahr­gäste und anderer Verkehrsteilnehmer zu sorgen und Gefahren abzuwenden. Das schließt übrigens auch die Sicherheit der Nutzer der Elektromobile ein. Angesichts der vorliegenden Erkenntnisse über die möglichen Gefährdungen ist eine Mitnahme von E-Scootern in Bussen und Stra­ßen­bahnen keinesfalls zu verantworten. Gerade bei diesen Ver­kehrs­mit­teln kommen wegen des Straßenverkehrs starke Bremsvorgänge und Vollbremsungen häufig vor. Für VGN und Ver­kehrs­un­ter­neh­men hat Sicherheit oberste Priorität.

Darüber hinaus drohen bei Unfällen mit Per­so­nen- oder Sach­schä­den sowohl zivil- wie strafrechtliche Folgen. Im Falle von Per­so­nenschäden bewegt man sich schnell im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung, allein die ungesicherte Mitnahme eines E-Scooters wäre möglicherweise schon eine Ordnungswidrigkeit, nach § 22 StVO. In beiden Fällen träfen die rechtlichen Konsequenzen zunächst den Fahrer, bis hin zum Verlust der beruflichen Existenz. Das Ver­kehrs­un­ter­neh­men müsste mit Konsequenzen durch die Aufsichtsbehörde rechnen.

Eine Absicherung der zi­vil­recht­lichen Haftung, wie in der öf­fent­lichen Diskussion vorgeschlagen, dürfte kaum möglich sein. Denn angesichts der bekannten Gefahren wird sich kein Versicherer finden, der das Risiko zu akzeptablen Konditionen abdeckt. Diese hypothetischen Überlegungen sind jedoch hinfällig, wenn Sicherheit das oberste Gebot ist.

Mögliche Lösungen werden geprüft

Die Emp­feh­lungen des ersten STUVA-Gutachtens hatten die nordrhein-westfälische Landesregierung veranlasst, eine zweite Studie in Auftrag zu geben, die klären sollte, unter welchen Voraussetzungen E-Scooter standsicher in Li­ni­en­bussen befördert werden können. Bei einem Runden Tisch mit Vertreterinnen und Vertretern von Sozial- und Selbsthilfeverbänden, der ge­setz­lichen Kran­ken­kas­sen, des VDV sowie mit der nordrhein-westfälischen Landesbehindertenbeauftragten im Ok­to­ber 2015 wurde beschlossen, diese zweite Studie durch ein drittes Gutachten zu vertiefen, das auch eine juristische Bewertung einschließt.

Anhand der Ergebnisse werden VGN und Ver­kehrs­un­ter­neh­men klären, unter welchen Rah­men­be­din­gungen künftig E-Scooter in Bussen und Stra­ßen­bahnen mit­ge­nom­men werden können. Eine sofortige pauschale Zulassung der Elektromobile, wie von Kritikern gefordert, scheidet jedoch aus. Denn wegen fehlender Normen un­ter­schei­den sich die rund 400 in Deutschland auf dem Markt befindlichen Modelle stark in den technischen Eigenschaften wie Abmessungen, Anzahl der Räder, Wendekreis, Gewicht, Schwerpunkt und damit ihrer Neigung zum Kippen. Auch die Fähigkeiten der Nutzer, für die Sicherung des Gerätes, die eigene Sicherheit und die der anderen Fahr­gäste zu sorgen, sind un­ter­schied­lich. Nicht zuletzt un­ter­schei­den sich die Busse und Bahnen hinsichtlich der Anzahl der Türen, der Einstiegsbreite, des Platzes zum Rangieren, der Zahl der Stellplätze für Rollstühle, der verfügbaren Rampen und der Bar­ri­e­re­frei­heit ihrer Hal­te­stel­len. Noch nicht absehbar ist der Aufwand für erforderliche Umrüstungen.

Ziel des VGN und seiner Ver­kehrs­un­ter­neh­men ist, hier gute Lösungen für mo­bi­li­täts­ein­ge­schränkte Fahr­gäste zu schaffen. Es muss aber damit gerechnet werden, dass aus Si­cher­heits­grün­den nicht alle E-Scooter ge­eig­net sind und auch nicht alle Mo­bi­li­tätswünsche erfüllt werden können. Insofern geht der Appell an Hersteller und Kran­ken­kas­sen den Kunden und Versicherten Elektromobile zur Ver­fü­gung zu stellen, die sich für eine Mitnahme in Bussen und Bahnen eignen.

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